Wenn die Welt Angst macht – Klimaangst verstehen
Was ist Klimaangst?
Klimaangst (engl. climate anxiety) beschreibt die emotionalen Reaktionen auf die Klimakrise: Sorge, Hilflosigkeit, Wut, Schuldgefühle oder Trauer angesichts von Umweltzerstörung, Artensterben und einer ungewissen Zukunft.
Diese Gefühle sind keine Krankheit – sie sind eine gesunde, verständliche Reaktion auf reale Bedrohungen. Besonders junge Menschen empfinden sie häufig, weil sie sich mit einer Zukunft konfrontiert sehen, die sich unsicher, chaotisch oder bedrohlich anfühlt.

Warum fühlen sich so viele überfordert?
In der Klimakrise prallen viele emotionale Ebenen aufeinander:
- Kognitive Überforderung: Ständig neue Nachrichten, komplexe Daten, Katastrophenbilder
- Emotionale Ambivalenz: Zwischen Hoffnung und Resignation, Engagement und Erschöpfung
- Verantwortungsdruck: Das Gefühl, etwas tun zu müssen – aber nicht zu können
- Ohnmacht: Viele Veränderungen liegen außerhalb des eigenen Einflussbereichs
Diese Gemengelage kann zu innerem Stress führen – manchmal bis hin zu Schlafproblemen, Reizbarkeit, sozialem Rückzug oder dem Gefühl, „durchzudrehen“.
Ist Klimaangst eine Diagnose?
Nein. Klimaangst ist (bisher) keine psychische Störung, sondern ein emotionaler Zustand, der je nach Persönlichkeit und Lebenssituation sehr unterschiedlich ausgeprägt ist.
Wichtig ist: Wenn Klimaangst chronisch wird, den Alltag stark einschränkt oder andere psychische Symptome verstärkt (z. B. Ängste, Depressionen), kann es sinnvoll sein, sich Unterstützung zu holen.
Was hilft bei Klimaangst?
1. Benennen statt verdrängen
Angst ist weniger überwältigend, wenn sie einen Namen hat. Sprich über deine Gefühle – mit anderen oder mit einer professionellen Begleitung.
2. Gemeinschaft statt Einsamkeit
Viele Betroffene berichten, dass der Austausch mit anderen entlastet – z. B. in Gruppen, Workshops oder lokalen Initiativen. Verbindung wirkt regulierend.
3. Balance zwischen Aktivismus & Selbstfürsorge
Sich zu engagieren kann stärken. Aber: Ständiger Aktivismus ohne Pause kann ins Burnout führen. Du darfst Pausen machen, ohne „schlecht“ zu sein.
4. Fakten filtern
Medienkonsum bewusst steuern: Nicht jede Nachricht muss sofort verarbeitet werden. Seriöse Quellen bevorzugen – z. B. Klimafakten.at, IPCC-Berichte.
5. Handlungsfähigkeit stärken
Kleine, konkrete Handlungen (z. B. lokal einkaufen, Bäume pflanzen, mit anderen sprechen) stärken das Gefühl von Selbstwirksamkeit – auch wenn sie das Problem nicht „lösen“.

Wann ist psychologische Hilfe sinnvoll?
Wenn du merkst, dass sich deine Gedanken ständig um die Klimakrise drehen, du dich ohnmächtig fühlst oder dein Alltag stark eingeschränkt ist – dann darfst du dir Unterstützung holen.
Klimaangst zu verstehen heißt nicht, sie wegzuschieben – sondern sie so zu begleiten, dass du wieder ins Gleichgewicht findest.
Du bist nicht allein.
Quellen (peer-reviewed):
- Clayton, S. & Karazsia, B. T. (2020). Development and validation of a measure of climate change anxiety. Journal of Environmental Psychology, 69, 101434.
→ https://doi.org/10.1016/j.jenvp.2020.101434 - Hickman, C. et al. (2021). Young people's voices on climate anxiety, government betrayal and moral injury: A global phenomenon. The Lancet Planetary Health, 5(12), e863–e873.
→ https://doi.org/10.1016/S2542-5196(21)00278-3 - Pihkala, P. (2020). Climate anxiety, suffering, and the need for existential hope. Sustainability, 12(18), 7240.
→ https://doi.org/10.3390/su12187240 - Reser, J. P., & Swim, J. K. (201a1). Adapting to and coping with the threat and impacts of climate change. American Psychologist, 66(4), 277–289.
→ https://doi.org/10.1037/a0023412